Reaktionen auf den Besuch

Angestoßen durch den Besuch des Bundespräsidenten Christian Wulff haben türkische Medien die deutsche Integrationsdebatte aufgegriffen. „Die Türkei muss ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Harmonie von Deutschland leisten“, kommentierte der angesehene Kommentator Semih Idiz in der Tageszeitung „Milliyet“.

Aufmerksam registriert wurde von der türkischen Presse auch, dass Staatspräsident Abdullah Gül auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Wulff von Versäumnissen beider Länder bei der Integration der türkischen Minderheit in Deutschland gesprochen hatte. Solche Überlegungen sind neu in der Türkei, in der die deutschen Integrationssorgen bisher als rein deutsches Problem betrachtet wurden.

„Wenn Deutschland nun in diesen Schwierigkeiten ertrinkt, dann kommen der Türkei hier wichtige Pflichten zu“, kommentierte Idiz. Die Türkei sei nicht völlig unschuldig an der Lage der Türken in Deutschland. Schließlich habe auch die Türkei in der Vergangenheit nichts unternommen, um ihren Arbeitern die Integration in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern. Gül verwies darauf, dass viele vor ihrer Ausreise aus der Türkei nicht einmal eine türkische Stadt gesehen hätten.

Deutschland allein könne die Integration kaum leisten, schrieb Idiz. Um aus türkischstämmigen Zuwanderern gute deutsche Staatsbürger zu machen, reiche es nicht, den Ball den Deutschen zuzuspielen: „Voraussetzung für eine Lösung ist eine enge und konstruktive Zusammenarbeit beider Länder.“

Beherrscht wurden die türkischen Reaktionen auf den Staatsbesuch aber von einem anderen Aspekt: „Premiere auf dem roten Teppich“, titelten viele Zeitungen zu dem Foto vom Abschreiten der Ehrengarde. Erstmals war die türkische Präsidentengattin Hayrünnisa Gül samt Kopftuch dabei – ein Meilenstein in der säkularen Türkei. Das Tattoo von Bettina Wulff blieb dagegen unkommentiert. Ein Kopftuch kann selbst in der Türkei noch kontroverser sein als die Tätowierung einer Präsidenten-Gattin.

Quelle: Rheinische Post


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