Türkei im Boom

Unkontrollierter Aufschwung: Türkei-Boom droht jähes Ende

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Das Land am Bosporus verliert die Kontrolle über sein Wachstum: Wegen der zögerlichen Zentralbank droht der Türkei eine Überhitzung. Die Abhängigkeit des Landes von ausländischem Kapital wird zum Risiko. von Hubert Beyerle, Istanbul

Wie ein Wirtschaftswachstum von fast zehn Prozent konkret aussieht, zeigt das Stadtbild von Istanbul. Im Zentrum werden reihenweise neue Wolkenkratzer hochgezogen, und gigantische Neubaugebiete reihen sich an die Ausfallstraßen – der türkische Boom ist ein Boom der Bauwirtschaft. Um fast 30 Prozent sind die Investitionen vergangenes Jahr in die Höhe geschnellt und machten ein Wachstum der Gesamtwirtschaft von 8,9 Prozent möglich – die höchste Rate in der ganzen OECD. Früher als die meisten anderen Volkswirtschaften hatte die Türkei die Rezession von 2009 überwunden.

Doch der Ausnahmeboom macht misstrauisch. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass die türkische Zentralbank die Kontrolle über den Aufschwung verlieren könnte. Zu großen Teilen von kurzfristigem Kapital befeuert, ist er anfällig für einen plötzlichen Abzug des Spargeldes aus dem Ausland. „Kurzfristige Kapitalflüsse setzen die Banken dem Risiko eines plötzlichen Kapitalabzugs aus“, schreibt der Internationale Währungsfonds IWF.

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Die Anfang Juni anstehenden Wahlen haben das Risiko sogar noch erhöht, weil, so die Einschätzung von Experten, die Notenbank mit den eigentlich nötigen Bremsmanövern abwartet. Statt die Zinsen zu erhöhen, verschärft sie lediglich die Mindestreservevorschriften für die Banken.

Ein riskantes Unterfangen: „2012 wird ein sehr schwieriges Jahr“, schätzt Atilla Yesilada, ein in Istanbul bekannter Ökonom und Fernsehkommentator. Seine Sorge: „Wenn die Regierung nach den Wahlen eine Verfassungsänderung per Volksentscheid absegnen lassen muss, werden die nötigen Bremsmanöver noch über Monate ausbleiben, um die Abstimmung nicht zu gefährden. Dann aber könnte es zu spät sein.“

Tatsächlich beruht die Popularität der regierenden AKP und des Premiers Recep Tayyip Erdogan in erster Linie auf dem wirtschaftlichen Aufschwung, den die Türkei unter seiner Regierungszeit erlebt. Seit die AKP seit 2003 mit stabiler Mehrheit regiert und die damalige Finanzkrise überwunden wurde, genießt die Türkei unter Investoren hohes Vertrauen. Erdogan weiß zudem, wie wichtig die Bauwirtschaft ist, und kündigte zuletzt trotz Hochkonjunktur gigantische Projekte wie einen Kanal neben dem Bosporus und den Bau zweier komplett neuer Trabantenstädte in der Umgebung von Istanbul an.

via Unkontrollierter Aufschwung: Türkei-Boom droht jähes Ende | FTD.de.


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