Wo sind die Islam-Kritiker?

Der Rechtspopulist Geert Wilders wurde in allen Anklagepunkten freigesprochen. Mindestens genauso seltsam wie das Urteil ist aber die Flut von Kommentaren, die es gutheißen. Oder?

Geert Wilders hat nichts gegen Muslime. Er hat sie nicht diskriminiert oder beleidigt, und er hat niemanden zum Rassenhass gegen Anhänger des islamischen Glaubens aufgestachelt. Zu diesem Schluss kam zumindest das zuständige Gericht in Amsterdam, das am Donnerstag sein Urteil über den Vorsitzenden der niederländischen „Partei für die Freiheit“ (PVV) verkündete.

Der Mann mit der blonden Fönfrisur musste sich seit Herbst 2010 vor Gericht verantworten, weil er in öffentlichen Äußerungen, in Internetforen und einem Kurzfilm den Koran mit Adolf Hitlers „Mein Kampf“ verglichen und den Islam als „faschistisch“ bezeichnet hatte. Meinungsfreiheit lautet das Schlüsselwort, mit der Wilders seinen Vergleich rechtfertigte. Und: Er habe ja nichts gegen Menschen muslimischen Glaubens: Er habe nur die Religion im Streit um die Einwanderungspolitik kritisiert, nicht die Muslime als Personen beleidigt.

Natürlich ließ Wilders sich diese schöne Vorlage nicht nehmen, die ihm die Justiz da hingespielt hatte. Mit überlegenem Lächeln kam er aus dem Gerichtssaal und verkündete seine Schlussfolgerung: „Man darf also den Islam kritisieren, mir ist kein Maulkorb angelegt worden“, sagte er.

Da haben wir es also wieder, das gute alte „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“. Und es findet sich nicht nur in Wilders Triumphrede, sondern in großer Zahl auch in den Kommentaren unter Artikeln auf großen deutschen Nachrichtenseiten. „Richtig so“, „Sieg für die Meinungsfreiheit“ – so was ist dort mindestens genauso häufig zu lesen wie Kommentare, die das Urteil und Wilders Äußerungen kritisieren.

Wenn ich so etwas lese, wundere ich mich jedes Mal aufs Neue, wie viele islamophobe Menschen es bei uns zu geben scheint. Denn es ist ja nicht so, dass diese Leute Meinung für jeden sichtbar herumtragen. Im Gegenteil: Sie scheinen sich zu verstecken und ihre wahre Meinung häufiger in anonymen Netzdebatten zu äußern als von Angesicht zu Angesicht mit einem, der nicht so aussieht als würde er ihre Stammtischmeinung teilen. Es muss schon eine Sarrazin-Debatte stattfinden, damit man merkt, dass anscheinend jeder Zweite, dem ich in der U-Bahn begegne, am liebsten einen Einwanderungsstopp verhängen würde.

Geht es dir ähnlich? Erschreckst du manchmal vor Deutschland? Und darüber, dass dein tagtäglich erlebtes Gesellschaftsbild nicht mit Umfragen und dem Tenor in Internetdiskussionen übereinstimmen? Oder musstest du dich in deinem Alltag schon öfter mit fremdenfeindlichen Mitbürgern auseinandersetzen?

via Wo sind die Islam-Kritiker? – jetzt.de – Macht – jetzt.de.


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