SPD: Für Gleichberechtigung und eine Kultur der Anerkennung

 

Berlin, 9. Mai 2011                                                                                                                                                146/11

 

 

Mitteilung für die Presse

 

Beschluss des SPD-Parteivorstandes: Für Gleichberechtigung und eine Kultur der Anerkennung

Der Parteivorstand der SPD hat in seiner heutigen Sitzung folgenden Beschluss gefasst:

I. Die SPD ist die Partei für soziale Gerechtigkeit, kulturelle Vielfalt und Anerkennung

Herkunft darf kein Schicksal sein – das ist der Anspruch der SPD seit ihrer Gründung! Dieser Anspruch gilt heute mehr denn je. Er gehört zum Kern unserer sozialdemokratischen Grundüberzeugungen und ist Leitlinie unserer Politik für soziale Teilhabe und Gleichberechtigung. Damit verbindet sich die Überzeugung, dass jeder Mensch in unserer Gesellschaft die gleiche Würde und den gleichen Wert besitzt. Niemand ist von Geburt an auf einen bestimmten Lebensweg festgelegt. Gleichberechtigung und freie Selbstbestimmung, die faire Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg durch Bildung und eigene Leistung müssen für alle Menschen in unserer Gesellschaft gleichermaßen gelten – unabhängig von sozialer und kultureller Herkunft, von Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion oder Weltanschauung. Das meinen wir, wenn wir von einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft als Ziel unserer Politik sprechen.

Zu dieser Politik gehört auch, dass wir kulturelle Vielfalt  als eine Ressource für den Reichtum unserer Gesellschaft anerkennen und fördern. Deutschland ist bereits jetzt eine multikulturelle, vielfältige Gesellschaft, in der Integration millionenfach gelungen ist. Die Vorstellung, es gebe eine einheitliche, homogene Gesellschaft ist dagegen eine Illusion. Einer Abwertung von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen stellen wir uns entschieden entgegen und tun alles dafür, um Diskriminierung, Rassismus und Ausgrenzung zu überwinden. Wir wollen, dass Menschen aus Einwandererfamilien die gleichen Chancen haben wie alle anderen auch. Unser Ziel ist es, die Lebenschancen davon zu entkoppeln, ob jemand deutscher oder nichtdeutscher Herkunft ist. Auf diese Weise wollen wir das volle Potential kultureller Vielfalt in unserer Gesellschaft entfalten.

Dies sind die Grundüberzeugungen und Leitlinien unserer Politik. Sie prägen das Selbstverständnis und die Haltung unserer Partei. Die SPD ist und bleibt die Partei für soziale Gerechtigkeit, kulturelle Vielfalt und Anerkennung, Gleichberechtigung und Partizipation. Wir setzen uns dafür ein, dass man in unserem Land selbstverständlich und ohne Angst verschieden sein kann.

Wer dagegen Thesen vertritt, die diesen Grundüberzeugungen widersprechen, kann nicht für sich beanspruchen, für die SPD zu sprechen, weil für Rassismus und Menschenverachtung in der SPD kein Platz ist. Die SPD verurteilt aufs  Schärfste  sozialdarwinistische, rassistische oder diskriminierende Thesen und Argumentationsmuster. Menschen nach ihrer ökonomischen Nützlichkeit zu beurteilen und ihnen aufgrund ihres vermeintlichen Erbgutes oder ihrer Herkunft bestimmte Entwicklungschancen zu- oder abzusprechen ist falsch und gefährlich. Und es ist das Gegenteil dessen, was eine sozialdemokratische Politik erreichen will, die auf Emanzipation, Gleichberechtigung und kulturelle Vielfalt in einer solidarischen Gesellschaft gerichtet ist. Wer soziale Fragen ethnisiert und biologisiert, verkennt, dass Chancengleichheit eine Frage und Aufgabe der Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik ist.

Wir verschließen uns nicht einer offenen und kritischen Debatte über den Stand der Integration und Teilhabe in unserem Land, über Fortschritte ebenso wie fortbestehende Defizite und Probleme. Im Gegenteil: Eine solche Debatte ist notwendiger und wichtiger denn je. Doch wir dürfen und wollen uns dabei nicht mit einfachen Antworten abgeben. Die gelebte Realität in unserem Land ist komplexer als Schwarz oder Weiß. Und wir wollen und müssen stets deutlich machen, dass Integration keineswegs nur eine Aufgabe der Einwanderinnen und Einwanderer ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung,  die uns alle angeht.

II. Unser Zusammenleben fair gestalten – für eine Kultur der Anerkennung

Wir wollen gemeinsam mit allen Menschen in unserem Land sozialen Zusammenhalt solidarisch gestalten und eine Kultur der Anerkennung verwirklichen. Wir wollen auch die Unterteilung in „Ihr“ und „Wir“ überwinden. Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind längst ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft. Integration ist millionenfach gelungen. Die deutsche Sozialdemokratie hat großen Respekt vor der Lebensleistung der Einwanderinnen und Einwanderer besonders der ersten Generation. Der gesellschaftliche Wohlstand Deutschlands wäre ohne ihre Arbeit, aber auch ohne die Beiträge ihrer Kinder und Enkelkinder nicht möglich gewesen. Dafür sind wir dankbar.

Erst spät und zu zögerlich haben viele in der deutschen Politik erkannt, dass Zuwanderung in unser Land Einwanderung ist. Für diejenigen, die als Gastarbeiter zu uns gekommen sind, für ihre Familien, Kinder und Enkelkinder ist Deutschland längst dauerhafter Lebensmittelpunkt und für viele eine neue Heimat. Zu lange haben vor allem CDU und CSU diese Entwicklung ignoriert und sich einer aktiven Integrationspolitik verweigert. Viele der Integrationsprobleme, die wir heute beklagen, haben ihren Ursprung in den Versäumnissen dieser verfehlten Politik der Vergangenheit.

Es war die SPD, die mit der Regierungsübernahme 1998 einen Paradigmenwechsel hin zu einer aktiven Politik für Teilhabe und Integration eingeleitet und durchgesetzt hat. Wir haben das Signal gesetzt, dass Menschen, die zu uns kommen, auch Teil unserer Gesellschaft sein sollen. Wir haben dafür gesorgt, dass alle Kinder in Deutschland unabhängig von ihrer Herkunft von Geburt an auch deutsche Staatsbürger werden können. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz haben wir klargestellt: Wir dulden keine Diskriminierung in unserem Land. Und wir haben durchgesetzt, dass alle Eingewanderten einen Anspruch, aber auch die Pflicht haben, an einem Integrationskurs teilzunehmen. All das war keine Kleinigkeit. Es sind Erfolge, auf die wir stolz sind und an die wir mit unserer Integrationspolitik anknüpfen. Die SPD ist und bleibt die Partei, die sozialen Zusammenhalt und Gleichberechtigung in einer vielfältigen und offenen Gesellschaft gestaltet.

Eine ehrliche Debatte über Teilhabe und Integration – auch Probleme offen benennen

Zu einer ehrlichen und sachlichen Debatte über Teilhabe und Integration gehört, auch Probleme klar zu benennen. Sprachdefizite, fehlende Schulabschlüsse oder Arbeitslosigkeit erschweren noch immer für viele eingewanderte Menschen erfolgreiche Teilhabe und Integration. Ein Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben in geschlossene Lebenswelten kann die Folge sein. Auch das ist eine Realität, die es anzuerkennen und zu ändern gilt. Denn wir wissen: Nicht nur populistische Polemik, auch umgekehrt die Bemäntelung und Schönfärberei von Problemen sind Gift für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land, spalten und verschärfen die Probleme zusätzlich. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich viele Menschen in ihren Ängsten von der Politik allein gelassen fühlen, sondern müssen sie ernst nehmen. Wo Ängste unbegründet und überzogen sind, ist Aufklärungsarbeit geboten. Wo den Ängsten reale Probleme zugrunde liegen, müssen diese konsequent politisch angepackt und gelöst werden.

Zu einer vernünftigen und zukunftsweisenden Politik für Teilhabe und Integration gehören daher faire Chancen, aber auch klare Regeln. Das deutsche Grundgesetz ist dafür das gemeinsame Fundament aller hier in Deutschland lebenden Menschen. Es bietet genügend Raum für kulturelle Vielfalt, es sichert die Freiheit des Glaubens, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und die Rechte von Minderheiten. Es setzt aber auch klare Grenzen, die niemand unter Hinweis auf seine Herkunft oder seine religiöse Überzeugung außer Kraft setzen darf. Es ist der Rahmen, in dem wir gemeinsam unser Zusammenleben gestalten wollen.

In der Debatte über Integration muss zudem stets deutlich werden, dass Teilhabe und Partizipation nur in einem gemeinsamen Prozess gelingen, in den sich die Einwanderinnen und Einwanderer ebenso wie auch die aufnehmende Gesellschaft einbringen. Deshalb werben wir in der gesamten Gesellschaft für Toleranz und eine Kultur der Anerkennung.

Teilhabe und Integration als Teil einer umfassenden Politik für sozialen Fortschritt

Viele der Herausforderungen in der Integrationspolitik sind im Kern soziale Herausforderungen. Ihre Lösung ist daher zuallererst eine soziale Aufgabe. Hinter der Debatte über Teilhabe und Integration in unserem Land steht damit immer auch die große gesamtgesellschaftliche Herausforderung in einer Zeit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen, einer zunehmenden Verunsicherung, teilweise auch sozialen Entkopplung von Menschen und gesellschaftlichen Gruppen, überhaupt sozialen Zusammenhalt herzustellen und sozialen Aufstieg zu organisieren. Integrationspolitik muss damit immer auch Teil einer fortschrittsorientierten Sozialpolitik sein. Und dies rückt sie mit ins Zentrum dessen, was eine sozialdemokratische Politik für Fortschritt im 21. Jahrhundert zu leisten hat.

Die SPD hat bereits weitreichende Vorschläge zur Weiterentwicklung der Integrationspolitik in Deutschland vorgelegt, unter anderem in einem integrationspolitischen Grundsatzbeschluss auf dem zurückliegenden SPD-Bundesparteitag im September 2010 oder zuletzt in dem Positionspapier Integration der SPD-Bundestagsfraktion vom Januar 2011. Zudem hat der Parteivorstand die Zukunftswerkstatt Integration der SPD beauftragt, ein neues Integrationskonzept der SPD zu erarbeiten, das bis zum Bundesparteitag im Dezember 2011 vorliegen soll. Wichtige Eckpfeiler unserer integrationspolitischen Programmatik sind dabei:

  • Unser Integrationsansatz orientiert sich an dem Ziel, gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben für alle zu ermöglichen. Wir begreifen Integration dabei als Querschnittsaufgabe, die in allen Politikbereichen berücksichtigt werden muss,  vor allem in der Innenpolitik, der Bildungspolitik, der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, der Kultur- und Jugendpolitik und bei der Stadtentwicklung.

  • Wir wollen den Weg zu echter doppelter Staatsangehörigkeit freimachen. Das Optionsmodell muss abgeschafft werden, damit junge Menschen nicht dazu gezwungen werden, sich zwischen ihren Identitäten zu entscheiden. Wir fordern CDU und CSU dringend dazu auf, sich dieser vernünftigen und wichtigen Weiterentwicklung des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts nicht länger zu verweigern. Wir wollen zudem Einbürgerung weiter erleichtern, etwa durch kürzere Einbürgerungsfristen beim erfolgreichen Abschluss eines Integrationskurses und durch den Abbau von unnötigen bürokratischen Hürden. Außerdem fordern wir ein kommunales Wahlrecht auch für langjährig in Deutschland lebende Mitbürgerinnen und Mitbürger, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben und nicht aus einem EU-Mitgliedsland stammen.

  • Bildung und Sprache entscheiden über die persönliche Zukunft. Drei Forderungen sind uns dabei besonders wichtig: Erstens wollen wir eine durchgängige Sprachförderung. Sie beginnt in der Krippe und Kindertagesstätte, wird in der Schule und Berufsschule fortgesetzt und nötigenfalls auf die Hochschule ausgedehnt. Gute Deutschkenntnisse sind dabei unerlässlich für Teilhabe und Partizipation. Sie müssen besonders gefördert und eingefordert werden. Zugleich ist es aber auch wichtig, den Wert von Zweisprachigkeit anzuerkennen und gezielt zu fördern. Zweitens verdient jedes Kind individuelle Förderung. Deshalb müssen wir die Bildungsinfrastruktur ausbauen, um kein Kind allein zu lassen. Wir wollen gerade die frühkindliche Betreuung und Bildung weiter ausbauen und qualitativ deutlich verbessen. Dagegen ist es falsch und ein fatales Signal, wenn CDU/CSU mit einem Betreuungsgeld Eltern finanzielle Anreize geben wollen, dass sie ihr Kind gerade nicht in eine Krippe schicken. Dies ist nicht nur finanzpolitisch unvernünftig, es schadet auch der Integration. Drittens kann Integration nur dort gelingen, wo es interkulturell geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Das gilt für die Kindertagesstätte ebenso wie für alle Schulformen, die berufliche Bildung und Weiterbildung und auch die Bundesagentur für Arbeit.

  • Wir wollen, dass auch alle Einwanderinnen und Einwanderer, die bereits länger hier leben, die Möglichkeit haben an Sprach- und Integrationskursen teilzunehmen. Vergangenes Jahr mussten rund 20.000 integrationswillige Migrantinnen und Migranten auf einen Integrationskurs warten. Das darf sich nicht wiederholen. Es kann nicht sein, dass CDU/CSU auf der einen Seite Menschen bei Nichtteilnahme an Integrationskursen Integrationsverweigerung vorwerfen, auf der anderen Seite aber nicht genug Geld für ausreichend Plätze in den Kursen zur Verfügung stellen.

  • Wir treten dafür ein, dass Menschen mit Migrationshintergrund noch bessere Chancen auf Einstieg und Aufstieg in der öffentlichen Verwaltung erhalten. Hierzu brauchen wir dringend eine umfassende politische Debatte, die auch die Frage nach einer Quotenregelung mit einschließt. Bewerbungsverfahren müssen schon bei der Vorauswahl diskriminierungsfrei gestaltet werden. Und wir wollen dafür sorgen, dass Menschen mit Migrationshintergrund auch in allen Gremien, Kommissionen und Beiräten des Bundes und der Länder repräsentativ vertreten sind. Zudem ist es wichtig, dass noch mehr Migrantinnen und Migranten in den Parlamenten von der Kommunalpolitik bis hin zur Bundes- und Europapolitik vertreten sind und politisch mitentscheiden.

  • Wir wollen das soziale Miteinander in den Stadtteilen stärken. Die SPD kümmert sich seit Jahrzehnten um soziale Integration vor Ort. Gerade die Kommunen und Städte sind die entscheidenden Träger für gelingende Integration. Die Bundesregierung kürzt dagegen in der Städtebauförderung

und gefährdet das erfolgreiche Programm „Soziale Stadt“. Ein Kahlschlag beim Programm „Soziale Stadt“ trifft vor allem Stadtteile und Wohnbezirke, in denen es besonders viele Integrationsprobleme gibt und der Bedarf an Hilfe besonders groß ist. Der gegenteilige Weg wäre richtig: Die Mittel für das von allen gelobte Vorzeige-Projekt „Soziale Stadt“ müssen aufgestockt werden.

  • Wir treten dafür ein, dass Deutschland ein fortschrittliches System auf den Weg bringt, um dringend gebrauchte Fachkräfte noch stärker als bisher anzuwerben und diesen eine unkomplizierte Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wenn Deutschland und Europa sich gegen Einwanderung abschotten, schaden sie sich letztlich selbst. Darüber hinaus muss Europa eine gemeinsame und solidarische Lösung für den Umgang mit Flüchtlingen vereinbaren, die die Wahrung der internationalen flüchtlings- und menschenrechtlichen Schutzstandards voll sicherstellt.

III. Die SPD interkulturell öffnen – eine Willkommenskultur vorleben

Wir wollen Teilhabe und eine Willkommenskultur nicht nur politisch einfordern und gesellschaftlich fördern. Wir wollen und müssen auch selbst als Partei Vielfalt und eine Willkommenskultur noch stärker verwirklichen und vorleben. Bereits jetzt engagieren sich viele Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte in der SPD. Doch wir müssen dafür sorgen, dass es noch mehr werden. Jeder fünfte in Deutschland lebende Bürger hat mittlerweile einen Migrationshintergrund. In einer Zeit wie dieser, in der Deutschland immer vielfältiger wird, mit allen Chancen und Herausforderungen, die damit verbunden sind, muss und will auch die SPD selbst noch vielfältiger werden.

Absichtserklärungen allein reichen hierfür nicht aus. Was wir brauchen, ist ein strukturierter Prozess der interkulturellen Öffnung für mehr Vielfalt in der SPD, der Menschen mit Migrationshintergrund mehr Chancen auf Einstieg und Aufstieg in unserer Partei bietet. Dieser Prozess muss nachhaltig angelegt sein und von der gesamten Partei mitgetragen werden. Es ist eine erweiterte Strategie nötig, die neue Instrumente einsetzt, innovative organisatorische Lösungen findet und insbesondere einen Perspektivenwechsel einleitet. Das zentrale Ziel muss dabei sein: Künftig soll es in der SPD nicht mehr in erster Linie nur da um Integration gehen, wo Integration draufsteht, weil bei allen politischen Fragen Genossinnen und Genossen mit Einwanderungsgeschichte mit ihrer speziellen Perspektive selbstverständlich mit am Entscheidungstisch sitzen. Darüber hinaus  müssen wir auch dafür sorgen, dass  Mitglieder mit einer Einwanderungsgeschichte noch stärker in verantwortlichen Positionen unsere Politik mitgestalten – indem sie Funktionen und Mandate übernehmen, im Ortsverein und in der Kommune ebenso wie in den Landesverbänden und – parlamenten, der Bundespartei, dem Bundestag und den sozialdemokratisch geführten Regierungen.

Unsere Ziele für eine vielfältigere SPD

Die Zukunftswerkstatt Integration und der Bundesarbeitskreis Integration und Migration der SPD beschäftigen sich bereits seit längerem intensiv mit diesem Thema. Sie werden aufgefordert ihre Vorschläge weiter zu konkretisieren und vor dem Bundesparteitag im Dezember 2011 ein Konzept vorzulegen, wie ein umfassender und strukturierter Prozess der interkulturellen Öffnung der SPD ausgestaltet und umgesetzt werden kann. Die Vorschläge sind dabei eng mit dem Reformprozess zur Parteiorganisation insgesamt zu verzahnen. Wichtige Themen und Eckpfeiler, die dieses Konzept mit einschließen muss, sind unter anderem:

  • Instrumente und klare Ziele, wie noch mehr Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte dazu motiviert werden können, der SPD beizutreten und sich bei uns in der Partei politisch zu engagieren, etwa durch eine zwischen Bundespartei und den Landesverbänden abgestimmte Mitgliederwerbekampage.

  • Ein Mainstreaming-Ansatz, der sicherstellt, dass künftig bei politischen Entscheidungen abgeschätzt und berücksichtigt wird, inwieweit sie dem Ziel einer verbesserten Teilhabe und Anerkennung von Migrantinnen und Migranten in Deutschland und in der SPD dienen. Dafür werden wir handhabbare Konzepte und Leitlinien erarbeiten.

  • Ziele und Regeln, die eine verbesserte Repräsentation von Migrantinnen und Migranten in den politischen Führungsgremien der SPD sicherstellen und zugleich dafür sorgen, dass noch mehr Mitglieder mit Migrationshintergrund auch in den Parlamenten von der Kommune bis zum Bundestag vertreten sind. Als absolute, unmittelbar umzusetzende Mindestanforderung sollte in jedem Führungsgremium der Partei mindestens eine Person mit einem Migrationshintergrund als Vollmitglied oder kooptiertes Mitglied vertreten sein.

  • Zudem muss das zu erarbeitende Konzept für eine interkulturelle Öffnung der SPD Vorschläge enthalten, mit welchen darüber hinausgehenden Instrumenten wie z.B. Selbstverpflichtungen oder Quoten-Regelungen eine noch weiter verbesserte Repräsentation von Migrantinnen und Migranten erreicht werden kann. Auf diesem Weg setzen wir uns das Ziel, dass in allen Führungsgremien der Bundespartei 15 Prozent der Mitglieder einen Migrationshintergrund haben. Wir empfehlen darüber hinaus auch den Parteigliederungen, dieses Ziel bei der Besetzung der jeweiligen Führungsgremien der Partei und bei der Kandidatenaufstellung für Wahlen von kommunaler bis bundespolitischer Ebene umzusetzen. Dazu ist es erforderlich, auf allen Ebenen der Partei eine gezielte Personalentwicklung zu betreiben, um die sich alle engagiert kümmern müssen.

  • Ein dauerhafter systematischer Dialog mit den Migrantenselbstorganisationen und weiteren Bündnispartnern. Dieser Dialog wird insbesondere durch den Bundesarbeitskreis Integration und Migration der SPD weiter geführt und systematisch ausgebaut. Zugleich brauchen wir auch einen flächendeckenden Ausbau der Strukturen zur Ansprache und Einbindung von Migrantinnen und Migranten sowie Aussiedlerinnen und Aussiedlern in der SPD, insbesondere durch den regionalen Ausbau der Arbeitskreisstrukturen im Bereich Integration und Migration. Das darüber hinausgehende Ziel muss aber letztlich sein, dass in sämtlichen politischen Themenfeldern Migrantinnen und Migranten und ihre Vertretungen mit am Tisch sitzen und ihre Positionen mit einbringen können.

  • Qualifizierungsprogramme zum Thema interkulturelle Öffnung baut die Parteischule im Willy-Brandt-Haus für Beschäftigte und Mitglieder der SPD auf. Dies sollte zum einen interkulturelle Qualifizierungsangebote für Mitarbeiter und Funktionsträger der SPD umfassen, insbesondere auch Schulungsprogramme zur interkulturellen Öffnung der Ortsvereine. Zum anderen brauchen wir regionale Mentoringprogramme zur individuellen Förderung von Mitgliedern mit Einwanderungsgeschichte in der SPD. Zudem nehmen bereits jetzt viele Migrantinnen und Migranten an der Kommunalakademie und der Führungsakademie der SPD teil und werden dort gefördert.

  • Im Rahmen unserer politischen Bildungsarbeit müssen wir auch wieder mehr über internationale Politik, entwicklungspolitische und Flüchtlingsfragen informieren, um das Verständnis für die internationale Ausrichtung unserer Partei in der Tradition Willy Brandts lebendig zu halten.

IV. Die SPD geht voran – Vielfalt gestalten, Aufstieg ermöglichen

Deutschland ist weiterhin auf Einwanderung angewiesen. Unser Land wird seinen Wohlstand nur dann nachhaltig sichern, wenn es uns gelingt zu begreifen, dass Vielfalt Chancenreichtum ist. Rückwärtsgewandte Debatten kann sich Deutschland nicht leisten. In der globalen Welt von heute sind Vielfalt und Weltoffenheit eine große Chance für unser Land, die es mutig und offensiv zu nutzen gilt.

Dieser Aufgabe wird sich die SPD weiter mit aller Kraft stellen: mit einer aktiven und ambitionierten Politik für Teilhabe, Integration und kulturelle Vielfalt in unserem Land. Die SPD war, ist und bleibt die Partei in Deutschland, die für soziale Gerechtigkeit in einer offenen und solidarischen Gesellschaft eintritt. Soziale Gerechtigkeit bedeutet für uns, allen Menschen Teilhabechancen zu ermöglichen – unabhängig von sozialer oder kultureller Herkunft. Das ist unser historisches Selbstverständnis und zugleich unser Auftrag für die Zukunft. Teilhabe an Bildung, Arbeit und gesellschaftlichem Leben für alle Menschen in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, sind und bleiben die Grundfesten unserer Politik für sozialen Fortschritt. Hierauf können sich alle Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land verlassen.

Als Partei wollen wir zugleich selbst mit gutem Beispiel vorangehen, mehr Vielfalt in der SPD ermöglichen und Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte noch mehr Chancen auf Einstieg und Aufstieg in unserer Partei eröffnen. Die Zukunftswerkstatt Integration der SPD hat das große Ziel, um das es hierbei geht, treffend formuliert: Für jeden, der sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität engagieren will, ist Platz in unserer Partei – dieses Kernversprechen der deutschen Sozialdemokratie müssen wir erneuern und zeitgemäß weiterentwickeln. In einer Zeit, in der Deutschland vielfältiger wird, immer mehr Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Weltanschauung in unserem Land zusammenleben, muss auch die SPD selbst vielfältiger werden, um Volkspartei zu bleiben. Wir wollen mit unserer Politik gesellschaftliche Vielfalt und Teilhabe fördern. In unserer Partei wollen wir sie vorleben.

 


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