Wie gut sind Krisen prognostizierbar?

Bifurkation von Systemen

Wie gut sind Krisen prognostizierbar?

Die Antwort vorweg: Krisen sind schon recht gut prognostizierbar, es kommt jedoch immer auf die Art, Umfang, Qualität und Beobachtungsdauer der Daten und Informationen an, die betrachtet werden. Und das Wort Krise – aus dem griechischen stammend – bedeutet nicht anderes als eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation zu haben. Der Begriff der Bifurkation von Systemen taucht bisher in politischen, sicherheitspolitischen, sozialen, wirtschaftlichen oder militärischen Zusammenhängen so gut wie gar nicht in der Literatur auf, sondern nahezu ausschließlich in der Mathematik, der Physik, der Anatomie, der Biologie und auch in der Geographie. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei einer Bifurkation um eine Zustandsänderung, eine Teilung, eine Gabelung, oder eine spontane Veränderung von bisher stabilen oder scheinbar stabilen Zuständen oder Systemen. Vermeintlich „überraschende“ oder „unerwartete“ politische Systemänderungen sind Bifurkationen, die den meisten Fällen absehbar und prognostizierbar sind.

Tunesien und Ägypten – überraschend?

Als die Unruhen in Tunesien ausbrachen, als in Ägypten im Ende Januar 2011 das Volk durch Demonstrationen nach Demokratie, nach Freiheit rief, hieß es von vielen Seiten der Politik im In- und Ausland: „Das hat uns überrascht!“ Dass die meisten Medien für gewöhnlich nicht immer unbedingt über analytischen Tiefgang verfügen und eher sehr vereinfacht eben solche Äußerungen aus der Politik ungefiltert wiedergeben, sei mit Nachsicht zur Kenntnis genommen. Es geht in den meisten Medien um Auflagen und Umsatz, und nicht primär um Analysen.

Haben also die Entwicklungen in Tunesien und Ägypten „alle“ überrascht? Die Antwort lautet ganz klar: Nein.  Spätestens ungefähr Mitte Dezember 2010 waren für Ägypten die Warnsignale deutlich auf rot. Mittlerweile sind Anfragen in US-Gremien anhängig, wieso beispielsweise die Central Intelligence Agency (CIA) nicht rechtzeitig gewarnt habe. Hat sie, so ist politischen Statements aus den USA zu vernehmen. Die gleiche Frage wäre berechtigterweise auch in Deutschland zu stellen: Keiner hat gewarnt – oder hat keiner hingehört? Die Bifurkation in Ägypten war und ist nicht überraschend. Andere Länder werden folgen.

Indikatoren

Langfristindikatoren und Daten verschiedenster Art, wie beispielsweise zum Gesundheitswesen, Arbeitslosigkeit, Entwicklung der Kriminalität, Preise von Rohstoffen und Lebensmitteln, Finanzdaten und auch Änderungen im Bruttoinlandsprodukt, um nur einige zu nennen, geben schon Jahre im voraus Indikationen, dass eine Bifurkation eintreten kann. Dies kann nicht nur für einen ganzen Staat – gleich in welcher Rechtsform – indiziert und damit prognostiziert werden, sondern heruntergebrochen werden bis auf einzelne Bundesstaaten, Regionen, Städte oder Stadtteile. Im Wesentlichen kommt es dabei auf eine effiziente Datenaggregation an, um zugleich aus dem vorhandenen und ständig, möglichst kontinuierlich zu erweiternden Datenbestand Korrelationen mit scheinbar nicht zusammenhängenden Daten und Zeitreihen herbeizuführen und diese zu analysieren.

Es ist insbesondere zu Beginn von Trends bzw. Korrelationen selbstverständlich nicht sofort erkennbar, ob es sich um unwesentliche, zu vernachlässigende Entwicklungen und Trends handelt, oder im Laufe des Beobachtungszeitraumes die Datenaggregation auf einen Megatrend, wenn nicht sogar auf einen Gigatrend hindeutet, der zum Ende des jeweiligen Trends in einer Bifurkation, also in einen Zusammenbruch oder zumindest einer Teilung eines Systems führt. Schon diese kurzen Ausführungen machen deutlich: Kontinuierliche Trendanalysen vielfältigster Art sind unabdingbar, rechtzeitig Entscheidungen treffen zu können.

Bei genauerer Betrachtungsweise des Verhaltens von politischen System oder Wirtschaftssystemen wird dem Analytiker relativ schnell deutlich, dass es sich hier um sogenannte nicht-lineare, multidimensionale, kybernetische, dynamische Systeme handelt, deren Verhalten in der Mathematik und in der Physik beispielsweise auch in der Chaos-Theorie, also der Theorie komplexer Systeme, beschrieben wird.

Geht es auch einfacher?

Für den durchschnittlichen Staatsbürger drängt sich hierbei die Frage auf: Geht das nicht alles ein wenig einfacher? Muss ich das alles verstehen? Doch, es geht einfacher und man muss auch nicht alles über die Hintergründe verstehen. Ein gewisses Grundverständnis für das Verhalten von Systemen sollte allerdings bei hohen und höchsten politischen Staatslenkern oder Wirtschaftsführern zumindest in Grundzügen vorhanden sein, um auf regionale, nationale oder internationale Trends und Entwicklungen rechtzeitig reagieren zu können, damit es nicht irgendwann doch heißt: „Das hat uns aber alle überrascht.“

Auch schadet es dem oder der üblichen Durchschnittspolitiker(In) im Parlament und in den Landtagen nicht, sich mit dem Verhalten von solchen komplexen Systemen mit sowohl wirtschaftlichen, sozialen und politischen Sekundär- und Tertiärwirkung grundsätzlich auseinanderzusetzen. Die anvertrauten Bürger und Bürgerinnen haben einen politischen Anspruch darauf, dass die bestmöglichen Entscheidungen getroffen werden – rechtzeitig, sinnbringend und vor allem nicht populistisch.

Es stehen so einige mögliche Bifurkationen in Deutschland, in Europa als auch weltweit in den kommenden Monaten und Jahren „vor der Türe“. Es bedarf schon gewisser Fertigkeiten und Weitsicht damit umzugehen, ohne dass das Chaos nach Eintritt der Bifurkation völlig unbeherrschbar wird. Ansonsten drohen über Jahre Aufstände, Unruhen, Bürgerkriege, kriegsähnliche Zustände oder Kriege.

Für Wirtschaftsführer gleich welcher Branche ist das Grundverständnis um die Bifurkation überlebenswichtig. Viele Unternehmen – sowohl aus dem Mittelstand als auch Großunternehmen – existieren heute nicht mehr, weil sie sich nicht rechtzeitig damit auseinandergesetzt, nicht rechtzeitig und möglichst vollumfänglich Trends analysiert haben, um daraus weitgreifende, zukunftsweisende Entscheidungen abzuleiten. Das Ende ist auch hier eine Bifurkation. Der Name der Bifurkation: Entweder Schließung oder Konkurs. Hier sind dann zwar unter Umständen auch Hunderte oder Tausende betroffen, was sehr bedauerlich ist, jedoch eher selten eine ganze Region oder ein ganzes Staatswesen.

Beispiele von Bifurkationen

Bifurkationen gab es in tausenden von Jahren schon viele. Viele davon endeten im völligen Chaos. Menschen entzogen sich durch Suizid, andere starben durch Genozid und weitere Auswirkungen von Kriegen taten das Übrige dazu. Vermögen nicht nur in Milliardenhöhe, sondern in Billionenhöhe wurde vernichtet. Ganze Staaten verschwanden oder schlossen sich zu einem neuen System zusammen. Großreiche wie beispielsweise die Ausdehnung der Hunnen, das Römische Reich, das Osmanische Reich, das „Großdeutsche Reich“, die Sowjetunion, „The British Empire“, Kolonialstaaten wie zum Beispiel Spanien oder Portugal verschwanden beziehungsweise reduzierten sich auf eine geringere Staatsfläche.

Nicht immer alles verlief in einem Chaos und nicht alles innerhalb weniger Tage. Manches zog sich über Jahre oder Jahrzehnte hin. Viele Veränderungen waren daher auch nicht überraschend, sondern die Trends waren schon über Monate und Jahre im voraus erkennbar. Dennoch: Haben es alle Zeitgenossen der jeweiligen Zeit immer erkannt?

DotCom-Blase

Zu den einfachen Beispielen von sich abzeichnenden Bifurkationen und damit vorausgehenden Trends gehört zum Beispiel die sogenannte „Börsenblase“ bzw. „DotCom-Blase“, die im Jahr 2000 geplatzt ist. Während die Medien nahezu alle noch in Jubelstimmung waren und jeder Anleger beim Kauf einer Telekom-Aktie oder irgendeiner Neuemission sich als Finanzgenie betrachtete, waren hier und dort – verständlicherweise sehr leise und bedachtet – andere Marktteilnehmer am Werke, denen durch sorgfältige Trendbeobachtung schon länger klar war: Das geht nicht gut, das geht nicht so weiter. Das Ergebnis der „DotCom-Blase“ ist allgemein bekannt: „Völlig überraschend.“ Eher weniger bekannt ist: Beim Platzen der Blase und der danach folgenden mehrjährigen Talfahrt wurden auch Milliarden verdient. Nun, so wird man sich fragen, wieso hat kaum jemand gewarnt vor dem Platzen, vor dem Ende dieses unschwer erkennbaren, langjährigen Trends bis zum Eintritt dieser speziellen Bifurkation? Die Antwort hierauf ist recht einfach. Sie lautet rein kriminalistisch formuliert: „Cui bono?“ Die Antwort darauf muss sich jeder selbst geben. Und: Einige wenige haben auch gewarnt. Es hat nur niemand hingehört.

Wiedervereinigung Deutschlands

Ein anderes Beispiel – hier aus dem Bereich des Staatswesens: Alle waren völlig überrascht, als 1989 durch eine friedliche Revolution die damalige DDR „zusammenbrach“ und die Grenzen zur Bundesrepublik Deutschland friedfertig geöffnet wurden. Insbesondere die amtierenden Politiker in Regierung und Opposition in Bonn waren auf dem falschen Fuß erwischt worden – diesmal im positiven Sinne. Hat niemand die sozialen Entwicklungen in der DDR im Vorfeld als Trend registriert? Hat niemand die Zunahme der Opposition in der DDR registriert? Hat niemand den Anstieg der Reisen in die sogenannten Bruderländer registriert – speziell nach Ungarn? Alles waren mehr oder weniger offene Informationen.

Man muss den Trend nur wahrnehmen, analysieren und die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmter Veränderungen (Bifurkation) kontinuierlich betrachten. Es ist müßig im Nachhinein darüber zu reflektieren, wer hier seine Hausaufgaben nicht gemacht und die damalige Bundesregierung nicht entsprechend und frühzeitig ins Bild gesetzt hat. Da es sich bei der damaligen DDR um de facto eine „Auslandsangelegenheit“ handelte, wären hier entweder der Bundesnachrichtendienst (BND) und/oder das Auswärtige Amt (AA) in der Pflicht gewesen die Trends zu beobachten, strukturiert in Zeitreihenform zu analysieren und Eintrittswahrscheinlichkeiten dynamisch zu bewerten. Ein Chaos im Sinne einer gewalttätigen Veränderung oder durch Unruhen oder durch bürgerkriegsähnliche Zustände ist bei diesem Vorgang nicht eingetreten, auch wenn die spontane Entwicklung für die meisten Bürger sicherlich doch überraschend war.

Finanzmarktcrash 2008

Eine besonders bemerkenswerte Bifurkation stellt dieses Beispiel dar. Allein die Bezeichnung dieser Bifurkation ist schon falsch beziehungsweise irreführend, auch wenn diese Bezeichnung Millionen mal in nationalen und internationalen Medien verwendet wurde. Es spielt auch keine Rolle, wenn statt der Zahl 2008 abwechselnd die Zahl 2009 genannt wird, denn die Bezeichnung ist genau so falsch, und ändert an der bemerkenswerten Trendentwicklung dieser Bifurkation jedoch auch nichts. Denn es handelt sich hier um einen Crah auf Raten. Das interessante an dieser Bifurkation ist: Wir sind noch mittendrin. Will heißen: Wir sind noch nicht durch – in Deutschland, in Europa, weltweit. Wir haben es bei dieser Bifurkation also auch nicht mit einen Stichtag oder Stichmonat oder Stichjahr zu tun, sondern es ist etwas Größeres. Wie lange es noch dauern wird und welche Konsequenzen allumfänglich und weltweit daraus noch resultieren werden, wird – und ich glaube – möchte auch niemand so ganz genau öffentlich sagen.

Der Hintergrund zu diesem Finanzmarktcrash ist wie folgt sehr vereinfachend beschrieben: Von einigen wenigen internationalen Finanzmarktteilnehmern wurden hochkomplexe Finanzmarktprodukte entwickelt. Dabei wurden vereinfacht dargestellt Verbindlichkeiten, also Schulden, aus allen nur vorstellbaren Bereichen, wie zum Beispiel Immobilienfinanzierungen, Kreditkartenkredite, KfZ-Finanzierungen und vieles mehr so gebündelt, das daraus wiederum neue Finanzmarktprodukte entstanden. Diese wurden wiederum weiterverkauft an andere Banken, Versicherungen, Anleger sowie zur Rentenvorsorge. Das Konstrukt war bzw. ist so komplex, dass selbst diverse beteiligte Banken nicht mehr durchgeblickt haben, wie die genauen Sachverhalte eigentlich aussehen.

Über diese Sachverhalte wurden mittlerweile ganze Bücher verfasst und Untersuchungsberichte erstellt. Diverse Strafanzeigen gegen Banken, Makler, Vermittler und ehemalige Bankenvorstände laufen immer noch. Hunderte von Banken speziell in den USA sind mittlerweile „bancarotta“, in Deutschland und Europa haben sich einige Banken unter sogenannte „staatliche Schutzschirme“ geflüchtet. Es bleibt zu beobachten, was mit den nationalen und internationalen Versicherungsgesellschaften zukünftig werden wird. Der Hintergrund ist, dass für den Fall, dass eine solche Rettung nicht erfolgt wäre, es gewisse „systemische Probleme“ gegeben hätte oder geben würde. Mit dieser völlig diffusen (politischen) Formulierung dürften die Meisten so gut wie nichts anfangen können. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Daher nur als Kurzerklärung: Stellen Sie sich das Schlimmste vor, was passieren könnte – dann liegen Sie einigermaßen richtig.

Die Auswirkung auf die internationalen Volkswirtschaften aller Länder ist mittlerweile allgemein bekannt und seit 2008 im Fokus der Medien. Der bisherige Schaden und die Auswirkungen liegt weltweit irgendwo im zweistelligen Billionenbereich (amerikanisch: „Trillions“). Auch wenn diese noch „aktive“ Bifurkation, deren weiterer Verlauf allenfalls spekulativ abgeschätzt werden kann, inhaltlich sehr interessant sein mag, so ist ein viel interessanter Punkt folgender: Durch eine saubere, ungefärbte und emotionslose Trendanalyse diverser Zeitreihen über zwanzig bis dreißig Jahre und daraus abzuleitenden Entscheidungen hätte es nicht so weit kommen müssen, dass wir heute mitten in einer solchen Bifurkation sind und das Ende noch nicht absehbar ist.

Trends, Bifurkation und die Kanzlerrunde

Untersuchungsberichte und Medienberichte belegen: Was 2008 / 2009 die „gesamte Politik“ nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Staaten in Europa sowie die USA angeblich „völlig überrascht“ hat, war als zunehmend aufwachsendes Problem in hohen und höchsten Gesprächskreisen längst bekannt und erzeugte sicherlich auch eine gewisse Betroffenheit. Diese Betroffenheit wurde allerdings durch „stilles Aussitzen“ des Problems zum Ausdruck gebracht. Neuere amerikanische Untersuchungsberichte zur Finanzkrise belegen, dass in internationalen Finanzkreisen die Risiken seit ungefähr 1998/99 bekannt waren. Und wer hat diesen Trend, dieses Risiko öffentlich angsprochen? Wer hat etwas unternommen? Niemand.

In Frühjahr 2003 gab es eine höchst vertrauliche Kanzlerrunde im Bundeskanzleramt. Eigentlich war es eher so etwas wie die Beichte der deutschen Finanzwirtschaft: „Wir haben ein gewisses Problem mit einigen Banken. Und dieses Problem sieht wirklich nicht gut aus.“ Was die Top-Vertreter der deutschen Finanzwirtschaft aufgrund eigener, langfristiger Zahlen- und Trendanalysen festgestellt hatten war: Es ist auf absehbare Zeit wahrscheinlich, dass einige Banken „bancarotta“ anmelden müssen, falls die Bundesregierung nicht in geeigneter Form die Hand darüber hält. Der englische Begriff „bad banks“ machte die Runde im Kanzleramt – klingt ja auch irgendwie vornehmer als das italienische „bancarotta“.

Wenn schon jemand beichtet – hier also die Top-Vertreter der deutschen Finanzwirtschaft, dann muss es auf der anderen Seite im Bundeskanzleramt 2003 ja auch so etwas wie „Beichtväter“ gegeben haben. Hat es auch: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Bundesfinanzminister Hans Eichel. Doch die Beichtväter wollten 2003 von „bad banks“ nichts hören – das war politisch nicht opportun, das hätte keine Wählerstimmen gebracht.

Und nur wenige Jahre später, im Jahr 2011, wo das Scherbengericht wegen nicht erfolgter Trendanalyse zu diesem brisanten Finanzmarktthema – es geht immerhin um die Instabilität eines ganzen Staatswesens – immer mehr an die Öffentlichkeit gelangt, da meldet sich Gerhard Schröder in den Medien wieder zu Wort und fordert „die CDU möge sich doch bitte um die Finanzkrise kümmern“. Das Wort Chuzpe scheint Schröder vermutlich völlig fremd zu sein. Schröder als Bundeskanzler sowie die Bundesminister haben einen Eid vor den Mitgliedern des Bundestages geleistet:

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Schröder und andere haben Ihren Eid offensichtlich gebrochen. Ist das jetzt Hochverrat? Ist das Landesverrat? Es gibt Staaten, da steht auf Hochverrat die Todesstrafe. Wird das brisante Finanzmarktthema auch auf Bundesebene eventuell von Strafverfolgungsbehörden noch aufgegriffen oder eher „unter Genossen“ unter der Hand geregelt? Waschen sich alle die Hände in Unschuld bei dem erkannten kritischen Trend nicht rechtzeitig gehandelt zu haben?

Wieso hat die Bundesbank nicht frühzeitig eingegriffen in diese sich abzeichnende Bifurkation? Wenn die Bundesbank nicht Bescheid wusste – wer dann? Wieso haben alle, ausnahmslos alle im Bundestag vertretenen Parteien seit 2003 nichts unternommen, dieser extrem kritischen Bifurkation entgegenzuwirken? Wieso haben alle Parteien erst ab 2008 / 2009 diesen Trend „mit großer Überraschung“ wahrgenommen? Hat überhaupt jemand diesen Trend in politisch verantwortlicher Position verfolgt? Wer? Der möge „hier“ rufen.

Die Aufzählungen mögen als Beispiele genügen für die Bifurkation von Systemen. Dies lässt sich auf jede Art von beliebigen Datenreihen übertragen. Die Frage „Wie gut sind Krisen prognostizierbar?“ lässt sich dahingehend beantworten, dass einerseits die Qualität von Informationen und Daten sowie die Frühzeitigkeit eine wichtige Rolle spielen verbunden mit der Art der darauf aufbauenden Zeitreihenanalyse.

In einem Wirtschaftsunternehmen ist die Geschäftsführung dafür verantwortlich, wer Trendanalysen letztendlich durchführt. In einem Staat wie Deutschland verantwortet es der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin. Ob diese Analysen nun unmittelbar im Bundeskanzleramt erstellt werden, im Wirtschaftsministerium, im Finanzministerium, bei der Bundesbank, beim Bundesnachrichtendienst, bei der Bundeswehr oder irgendwo anders, ist grundsätzlich völlig egal und lediglich von Art und Auftrag abhängig. Im Bedarfsfall werden Einzelanalysen sowie Daten und Zeitreihen zu einem Ganzen zusammengeführt. Man erhält ein vollständiges Lagebild – emotionsfrei. Angemessenes, möglichst frühzeitiges Handeln muss der dann folgende Schritt sein. Sonst nutzt die ganze Prognostizierbarkeit einer Bifurkation nichts, sondern tritt unter Umständen mit voller Wucht und ungebremst ein.

© Ralf R. Zielonka
Bonn, 09. Februar 2011

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