Studie: Diskriminierung des Islam in Deutschland besonders stark

Innenminister lädt Imame zum Dialog

Islam-Konferenz arbeitet an Konzept für die Ausbildung islamischer Gemeindeleiter

Innenminister Thomas de Maizière hat erstmals muslimische Geistliche zum Gespräch gebeten. Ziel war zunächst das gegenseitige Kennenlernen sowie ein Austausch über die künftige Aus- und Fortbildung islamischer Gemeindeleiter.

In Deutschland sind etwa 2000 Imame in 2600 islamischen Moscheegemeinden tätig. Die meisten von ihnen kommen aus der Türkei, oftmals beherrschen sie die deutsche Sprache nicht und haben kaum Kenntnisse über den hiesigen Lebensalltag. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), die größte muslimische Organisation in Deutschland, betreibt rund 900 Moscheevereine und untersteht der staatlichen Religionsbehörde in Ankara. Von der Ditib entsandte Imame leiten meist für vier Jahre eine muslimische Gemeinde in Deutschland und kehren dann wieder in die Türkei zurück.

„Die Imame der Ditib sind türkische Beamte und fühlen sich in erster Linie dem türkischen Staat verpflichtet, nicht dem deutschen“, kritisierte Ali Ertan Toprak, Vizevorsitzender der Alevitischen Gemeinde Deutschlands. Die Aleviten sind eine der fünf Organisationen, die gestern am Treffen mit dem Innenminister teilnahmen – und die einzige, die als muslimische Religionsgemeinschaft in Deutschland anerkannt ist. Die Ditib sowie der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) fordern den Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft vehement ein. Nur dann wären sie rechtlich in der Lage, Ansprechpartner für den Staat bei der Einführung des islamischen Religionsunterrichts oder bei der Ausbildung der Imame an deutschen Universitäten zu sein, die im kommenden Jahr beginnen soll.

Um die Einführung des Islamunterrichts wird seit Mitte der 90er-Jahre gerungen. Es gibt Modellversuche, doch in fast allen Ländern scheiterte die Einführung bisher daran, dass die Muslime sich nicht auf einen gemeinsamen Vertreter einigen konnten. Die meisten muslimischen Verbände gelten als konservativ, sie pochen etwa auf eine Geschlechtertrennung in den Moscheen. Zugleich repräsentieren sie lediglich etwa ein Fünftel der Muslime in Deutschland, während eine schweigende Mehrheit liberal eingestellt und nicht in Vereinen organisiert ist. Kritiker sind deshalb skeptisch, ob die konservativen Verbände die geeigneten Partner für eine wissenschaftlich-kritische Ausbildung an deutschen Hochschulen sein können.

In diesem Wintersemester startete an der Universität Osnabrück eine Fortbildung für Imame. Dort absolvieren derzeit 30 islamische Geistliche zwei Semester lang Kurse in Deutsch, Landeskunde und Religionspädagogik. „Es läuft besser als erwartet“, sagt Rauf Ceylan, Professor für Religionswissenschaften in Osnabrück und Leiter der Fortbildung. „Die Imame haben Uni-Luft geschnuppert. Und die tut ihnen gut.“ Gemeinsam mit Ceylan besuchen die Imame den Bundestag, Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager, diskutieren mit Rabbinern oder Priestern. „Der interreligiöse Dialog geht meistens von den Kirchen aus“, sagt Ceylan, „wir brauchen aber auch eloquente Muslime, die sich mit dem Christentum gut auskennen.“ Ein weiterer Schwerpunkt sei die Jugendarbeit. „Viele muslimische Eltern schicken ihre Kinder zur Schule, ohne den Unterschied zwischen Haupt- und Gesamtschule zu kennen. Imame können hier gute Multiplikatoren sein.“ Der Imam ist längst nicht mehr allein traditioneller Vorbeter, sondern schlichtet bei Eheproblemen, berät in Erziehungsfragen und hilft bei Behördengängen. Dafür braucht er pädagogische, soziale, kulturelle und sprachliche Kompetenzen.

„Viele Imame leisten hervorragende Arbeit im sozialen Bereich“, sagt Adnan Özden, Imam in Mönchengladbach. Özden hat seine Imamausbildung beim VIKZ gemacht und bezeichnet sich als traditionell, ist etwa Anhänger der Geschlechtertrennung in Moscheen oder im Sportunterricht an Schulen. Vom Dialog mit dem Innenminister verspricht er sich vor allem mehr Anerkennung. „Die öffentliche Debatte ist negativ behaftet, dabei leisten wir Maßgebliches für die Integration“, sagt Özden. Ali Ertan Toprak von den Aleviten kritisiert dagegen: „Wer in dieser Gesellschaft Vorbild für andere ist, sollte deutsche Werte anerkennen. Die Gleichstellung von Mann und Frau gehört dazu.“

Die Projektgruppe der Deutschen Islamkonferenz wird also in der nächsten Zeit noch viel zu tun haben. Mitglieder des Innenministeriums, des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und der islamischen Organisationen sollen nun bis zum kommenden Frühjahr ein Modellkonzept zur Weiterbildung von Imamen erarbeiten. frep

via Innenminister lädt Imame zum Dialog – Nachrichten Print – DIE WELT – Politik – WELT ONLINE.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: