Sonnenuntergang in Istanbul: Die türkische Wirtschaft steht derzeit sehr gut dar. Quelle: dpa

Türkische Börse bricht alle Rekorde

Gute Nachrichten aus der Türkei: An der Börse in Istanbul erreicht der Aktienindex immer neue Höchststände, die Kreditwürdigkeit wurde angehoben und die Finanzmärkte rechnen mit starkem Wachstum – die Krise scheint hier überwunden. Für den risikobereiten Anleger gibt es derzeit gute Chancen.

von Gerd Höhler

Sonnenuntergang in Istanbul: Die türkische Wirtschaft steht derzeit sehr gut dar. Quelle: dpa
Sonnenuntergang in Istanbul: Die türkische Wirtschaft steht derzeit sehr gut dar. Quelle: dpa

ISTANBUL. Die türkische Wirtschaft läuft auf Hochtouren: elf Prozent Wachstum im ersten Halbjahr – damit liegt die Türkei neben China an der Weltspitze. Die starke Konjunktur sorgt auch für Höhenflüge an der Bosporusbörse: Mehrfach erreichte der Istanbuler Aktienindex ISE 100 in den vergangenen Wochen neue Höchststände.

Seit Jahresbeginn legte der Leitindex um stattliche 33 Prozent zu. Anleger, die in Euro rechnen, können sich sogar über ein Plus von 44 Prozent freuen. Auf Dollarbasis kalkuliert, ergibt sich ein Anstieg von 41 Prozent.

Damit hat die Istanbuler Börse inzwischen das Vorkrisenniveau übertroffen. Und manche Türkei-Fonds entwickelten sich sogar noch besser. So legte der HSBC GIF Turkish Equity seit Jahresbeginn um rund 53 Prozent zu. Für deutsche Privatanleger sind Fonds ohnehin die geeignete Wahl.

Hohes Wachstumspotenzial

Die Rekordjagd der vergangenen Wochen könnte zwar zu Gewinnmitnahmen führen und birgt deshalb die Gefahr einer Korrektur. Mittelfristig stehen die Börsenampeln nach Meinung vieler Analysten aber weiterhin auf Grün.

Knackt der Leitindex dauerhaft die Marke von 70 000 Punkten, die er in den zurückliegenden Sitzungen mehrfach touchierte, sehen Analysten ein Aufwärtspotenzial in die Region von 80 000 Zählern. Die makroökonomischen Vorgaben könnten besser kaum sein. Das Bankensystem ist solide und kam ohne Staatshilfen durch die Krise, der Staatshaushalt ist gesund: In den ersten neun Monaten drückte Finanzminister Mehmet Simsek den Fehlbetrag im Etat auf 21,3 Mrd. Lira. Das ist halb so viel wie im vergangenen Jahr. 2011 dürften die Staatsschulden auf 45 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) fallen – in der EU steht nur Luxemburg besser da.

Politisch in ruhigem Fahrwasser

Schon Ende 2009 stufte die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit des Schuldners Türkei um gleich zwei Stufen von „BB-„ auf „BB+“ herauf. Auch Moody’s setzte die Aussichten für die Türkei von „stabil“ auf „positiv“. Die Regierung korrigierte ihre Wachstumsprognose für 2010 von 3,5 auf 6,8 Prozent. An den Finanzmärkten rechnet man sogar mit acht Prozent Wachstum.

Zwar stieg die Inflation im September auf 9,2 Prozent. Erhöhungen der Leitzinsen sind dennoch nicht in Sicht. Davon profitiert das Kreditgeschäft der türkischen Banken, auf die rund die Hälfte der Kapitalisierung im Leitindex ISE 100 entfällt.

Hinzu kommt: Politisch ist die Türkei in ruhigeren Fahrwasser, seit Ministerpräsident Tayyip Erdogan im September seine Vorschläge für eine Verfassungsreform in einer Volksabstimmung unerwartet klar durchbringen konnte. Der Ausgang des Verfassungsreferendums gilt als Vorentscheidung für die im Sommer 2011 fälligen Parlamentswahlen. Umfragen lassen erwarten, dass Erdogans Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) zum dritten Mal in Folge eine absolute Mehrheit erreichen könnte.

Mit dem islamisch-konservativen Premier, der das Land bereits seit siebeneinhalb Jahren regiert, ist die türkische Wirtschaft gut gefahren: das BIP hat sich seit seinem Amtsantritt fast verdreifacht, die Staatsfinanzen wurden konsolidiert, und die Beziehungen zur EU, dem wichtigsten Handelspartner und Investor, waren nie enger als heute.

Vor allem aber profitiert die Türkei von ihrem robusten und großen Binnenmarkt, unterstreichen die Analysten der Hamburger Berenberg Bank. Mit antizyklischen und geldpolitischen Maßnahmen habe die Regierung das Land schnell aus der Krise geführt. Die vorteilhafte demografische Entwicklung, die günstige geografische Lage zwischen Europa und Asien sowie der boomende Dienstleistungssektor versprechen für die türkische Wirtschaft weiteres Wachstumspotenzial. Für den risikobereiten Anleger sehen die Analysten daher „entsprechend interessante Chancen“, zumal türkische Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von aktuell 11,6 noch relativ preiswert seien.


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