„Deutsch steht an erster Stelle“

erstellt am: 18.10.2010

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Türkischer Generalkonsul Firat Sunel

zuletzt aktualisiert: 18.10.2010 – 08:30

Düsseldorf (RP) Firat Sunel, Generalkonsul der Republik Türkei, lobt die Landeshauptstadt: Düsseldorf sei die schönste Stadt Deutschlands und in Fragen der Integration führend. Eine bilinguale Schule würde Sunel unterstützen.

Herr Sunel, Sie haben vor einem Jahr das Amt des Türkischen Generalkonsuls in Düsseldorf angetreten. Was bringt 2011?

Sunel Ich denke, dass das Jahr 2011 ein sehr bewegtes Jahr sein wird. Als Düsseldorfer bin ich sehr erfreut, dass der Eurovision Song-Contest in Düsseldorf ausgetragen wird. Aus der Sicht der Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland wird 2011 ein bedeutsames Jahr. Nächstes Jahr wird das 50-jährige Jubiläum der Migration türkischer Arbeitskräfte aus der Türkei nach Deutschland gefeiert. In diesem Rahmen möchten wir in Zusammenarbeit mit dem Landtag und der Landesregierung eine Veranstaltung zu organisieren, die Eindruck hinterlassen wird.

Ihre Frau, die ebenfalls im Diplomatischen Corps steht, arbeitet in Köln. Welche der beiden Städte gefällt Ihnen eigentlich besser?

Sunel Ja, meine Frau ist gleichzeitig meine Kollegin. Sie ist eine ältere Düsseldorferin als ich. Sie war hier in den Jahren 1997 bis 2000 als Vizekonsulin tätig. Seit dem 1. September 2010 arbeitet sie im Türkischen Generalkonsulat Köln. Als Düsseldorfer bevorzuge ich natürlich Düsseldorf. Ich finde sogar, dass Düsseldorf die schönste Stadt Deutschlands ist. Die Rheinpromenade ist einfach unvergleichlich schön. Orte wie die Altstadt und die Königsallee symbolisieren diese Schönheit. Im Gegenzug hat Köln einen reicheren historischen Hintergrund. Und wenn abends Düsseldorf einschläft, lebt in Köln die Nacht weiter. Da ich in Düsseldorf arbeite und meine Frau in Köln tätig ist, möchte ich, um einen Ehestreit zu vermeiden, diese Debatte hier lieber beenden. . .

Würden Sie eine Türkische Schule, wie es sie in Köln gibt, in Düsseldorf begrüßen?

Sunel Als Weltstadt hat Düsseldorf eine internationale sowie eine griechische, eine französische und eine japanische Schule. Es wäre natürlich schön, wenn wie in Köln auch hier eine türkische Schule eröffnet werden würde. Hierbei möchte ich betonen, dass die deutsche Sprache für Menschen, die hier leben, an erster Stelle stehen muss. Deshalb darf in solchen Schulen die deutsche Sprache nicht nachrangig sein. Es reicht nicht aus, dass unsere Kinder und Jugendlichen die deutsche Sprache soeben sprechen können, sie müssen „Herr“ über die Sprache sein. Eine bilinguale Schule, die der deutschen Sprache einen grundsätzlichen Vorrang gewährt, jedoch auch die Förderung der Muttersprache ermöglicht, wäre eine ideale Bildungsstätte. Es ist ja ohnehin bewiesen, dass Kinder, die ihre Muttersprache beherrschen, eine zweite Sprache schneller und besser erlernen können.

In Düsseldorf hat jeder Dritte eine Zuwanderungsgeschichte. Armin Laschet, der ehemalige Integrationsminister des Landes, hat der Stadt einmal eine hervorragende Integrationsleistung bescheinigt. Sehen Sie das ähnlich – schließlich leben Sie hier und haben selbst zwei Kinder im Kindergarten beziehungsweise in der Schule: Wie zufrieden sind Sie mit den Einrichtungen?

Sunel Düsseldorf ist in Sachen Integration eine der erfolgreichsten Städte. Ich denke, dass die weit entwickelte Kulturtoleranz dieser Stadt dabei eine wichtige Rolle spielt. Düsseldorf ist eine Stadt, deren Türe und Tore der Welt geöffnet sind. Ich habe zwei Kinder: mein Sohn Ege ist vier Jahre alt und geht in den Kindergarten, meine Tochter Deniz ist zehn Jahre alt und besucht einen Intensiv-Deutschkursus an einem Gymnasium. Allgemein sind wir mit den Bildungsmöglichkeiten, die uns angeboten werden, sehr zufrieden. Aber das bedeutet nicht, dass das allgemeine Bildungssystem keine Probleme hat. Meines Erachtens können Kinder mit Migrationshintergrund von der Chancengleichheit in der Bildung nicht ausreichend profitieren.

Inzwischen wird darüber debattiert, dass viele Qualifizierte von Deutschland in die Türkei auswandern. Was sind die Gründe dafür?

Sunel Die Zahlen zeigen, dass in letzter Zeit insbesondere die gut ausgebildeten türkischstämmigen Menschen in die Türkei auswandern. Der äußerlich sichtbare Grund ist, dass Menschen, die mit Türkisch und Deutsch mindestens zwei Sprachen gut beherrschen, die Türkei mit ihrem 15. Platz in der Weltrangliste der Wirtschaft als eine gute Gelegenheit für sich sehen. Aber es wäre nicht richtig, wenn die Auswanderung ausschließlich auf wirtschaftliche Aspekte zurückgeführt wird.

Welche Gründe gibt es zudem?

Sunel Insbesondere qualifizierte junge Türken empfinden den Stil und Inhalt der Integrationsdebatte als verletzend. Junge Türkischstämmige beklagen sich darüber, dass, auch wenn sie erfolgreich sind, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und keine Probleme hinsichtlich der Integration haben, sie von der deutschen Gesellschaft keine Anerkennung finden und weiterhin als Fremde angesehen werden. Sie können es nicht nachvollziehen, dass sie trotz der Erfüllung aller eingeforderten Voraussetzungen im Zentrum der Diskussionen stehen. Somit kehrt eine Gruppe von Menschen, die sich hier als unerwünscht sieht, in das Land zurück, wo einst ihre Eltern hergekommen sind. Diese Auswanderung ist sicher nicht zum Vorteil von Deutschland, das ohnehin großen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften hat.

Zurück zur Einwanderung: Wie gut integriert, erleben Sie die Türkische Gemeinde in Düsseldorf? Wie lässt sich ein Zusammenleben enger, noch aufgeklärter gestalten?

Sunel Ich denke nicht, dass die türkische Gemeinde in Düsseldorf hinsichtlich der Integration erwähnenswerte Probleme hat. Integration bedeutet Harmonie, und um diese Harmonie zu erleben, müssen sich sowohl die Minderheit als auch die Mehrheit einer Gesellschaft darum bemühen. Solange den Migranten nicht das Gefühl der Dazugehörigkeit vermittelt wird, ist eine erfolgreiche Integration nicht möglich. Ähnlich müssen auch die Migranten sich mehr Mühe hinsichtlich der Integration geben.

Was kann verbessert werden?

Sunel Der Schlüssel zur Integration ist die Sprache. Hierzu könnte bereits in den Kitas eine gezieltere Sprachförderung stattfinden und der Deutschunterricht in den Schulen intensiviert werden. Weil sie mit der Zukunftsgestaltung einer Gesellschaft in direktem Zusammenhang steht, ist eine erfolgreiche Integration von lebenswichtiger Bedeutung. Die Diskussionen um Integration dürfen die Migranten nicht ausschließen. Lösungen gibt es nur zusammen mit den Migranten und mit einer gezielten Anhörung ihrer Probleme.

Sie selbst sprechen ausgezeichnetes Deutsch. . .

Sunel Ein Diplomat muss zwar kein Deutsch können. Aber in meinem Fall macht es mich und meine Aufforderungen an Migranten vielleicht noch glaubwürdiger.

G. Stenzel führte das Interview


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