«Natürlich bin ich auch Präsident der Muslime»

«Natürlich bin ich auch Präsident der Muslime»

Es war für Wulff die Stunde der Wahrheit. Mit seiner Rede in Bremen hat der Bundespräsident die Brücke von der deutschen Einheit zur Integration der Migranten geschlagen. Er erntete dafür Beifall.


Bremen (dpa) – Es war für Wulff die Stunde der Wahrheit. Mit seiner Rede in Bremen hat der Bundespräsident die Brücke von der deutschen Einheit zur Integration der Migranten geschlagen. Er erntete dafür Beifall.

Die Spannung war für alle Beteiligten groß. Thilo Sarrazin sah in der Präsidenten-Rede in Bremen eine «sportliche Herausforderung» für das neue Staatsoberhaupt. Christian Wulffs einstiger Mitbewerber um das höchste Staatsamt und ebenfalls Einheits-Festredner, Joachim Gauck, wollte dagegen mit dem neuen Bundespräsidenten gewiss «keinen Sängerwettbewerb von der Wartburg» veranstalten.

Doch Christian Wulff nahm diese erste große Herausforderung seines neuen Amtes an. Seine Rede zum Tag der deutsche Einheit traf den richtigen Ton an den richtigen Stellen. Er erhielt dafür viel Beifall von allen politischen Seiten – das erste Mal in den knapp 100 Tagen seiner bisherigen Amtszeit.

«“Deutschland, einig Vaterland“ – was heißt das heute?» – Das war seine Fragestellung. Die Antwort war auf jeden Fall nicht die des Islam-kritischen Thilo Sarrazin, dessen Abgang aus der Bundesbank- Spitze Wulff vor wenigen Wochen noch als «Mediator» vermittelt hatte.

Anders als Kanzlerin Angela Merkel hat Wulff das Buch von Sarrazin auch gelesen. Ebenso das Buch der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig zu den Problemen mit der Kriminalität junger Migranten. Sie zitierte er ausführlich. Sarrazin erwähnte er mit keinem Wort.

Wulff berichtete von hunderten Zuschriften, die er in diesen aufgeheizten Wochen der Migrationsdebatte erhalten hat. «Wenn mir deutsche Musliminnen und Muslime schreiben: „Sie sind unser Präsident“ – dann antworte ich aus vollem Herzen: Ja, natürlich bin ich Ihr Präsident!».

Die inhaltliche Antwort des Bundespräsidenten auf die Thesen Sarrazins und seiner Anhänger über die Integrationsunfähigkeit von Muslimen war deutlich: «Lassen wir uns nicht in eine falsche Konfrontation treiben … Wir sind schon viel weiter, als es die derzeitige Debatte vermuten lässt.» Wulffs Resümee zum Sarrazin-Text «Deutschland schafft sich ab»: «Legendenbildung, Zementierung von Vorurteilen und Ausgrenzungen.» Es sei in «unserem eigenen nationalen Interesse», das nicht zuzulassen.

Horst Köhler hatte zu Beginn seiner Amtszeit noch eine betont unternehmerfreundliche Rede gehalten, die ihm Kritik einbrachte. Ganz anders nun der Nachfolger: Sich abschottende «Parallelwelten» nicht nur bei Migranten, sondern auch unter den Eliten des Landes, wie jüngst bei der Finanzkrise – selten hat ein Bundespräsident so offen auf die Gefahren der Spaltung der Gesellschaft auch «von oben» hingewiesen.

«Unser Land muss Unterschiede aushalten», warb Wulff für einen «unverkrampften Patriotismus» und für die Vielfalt der Gesellschaft. «Wir sind ein Volk!» – Den Ruf auf den Straßen Ostdeutschlands von 1989 formulierte er als Auftrag für die Zukunft – für alle Menschen, die in Deutschland leben, egal welcher Herkunft und Glaubensrichtung.

Als «Brückenbauer» hatte sich Wulff Anfang Juli bei seiner Wahl zum 10. deutschen Staatsoberhaupt präsentiert. Er musste seitdem viel Kritik einstecken – «zu tagespolitisch», «ungeschickt», «Fehlverhalten im Fall Sarrazin». Wochenlang hatte er sich nun auf seine Bremen-Rede vorbereit, die er rhetorisch nicht glänzend, aber mit Überzeugungskraft vortrug. Die Zuhörer in der Bremen Arena klatschten wiederholt Beifall.

Diesen erntete auch Gauck einen Tag zuvor bei der offiziellen Einheitsfeier der Stadt Berlin. Der Tag der deutschen Einheit sei für ihn «ein politischer Erntedanktag», sagte er. Mit unterschiedlichen Worten, aber ganz ähnlich in der Stoßrichtung setzten sich Wulff und Gauck dafür ein, von Migranten auch Integrationsschritte zu verlangen. «Wir brauchen mehr Konsequenz bei der Durchsetzung von Regeln und Pflichten», sagte Wulff in Bremen.

Das Wort von «unserer bunten Republik Deutschland» von seiner Antrittsrede Anfang Juli wiederholte er diesmal nicht. Dafür setzte er auf Inhalte: «Die Kraft zum Ausgleich, zum Verhandeln, zu einfallsreichen Lösungen, die Kraft zum Zusammenhalt, die Kraft zum Konsens – das ist Deutschland.»

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